News Frankreich Galopp, 15.06.2024
(hen) Der frühere Spitzenjockey Dominique Boeuf, heute Berater bei Equidia, beschreibt die Freude, mit der er sich bei Fernsehübertragungen für seinen Sport einsetzt. Gleichzeitig scheut er sich nicht, Missstände im französischen System, insbesondere bei der Kommunikation und der Vermarktung, offen anzusprechen. Im großen Interview mit dem ParisTurf sprach Boeuf in der Woche des Prix De Diane unter anderem über seine Arbeit in den Medien und die heutige Ausbildung der Jockeys.
ParisTurf: "Am Sonntag findet die 176. Ausgabe des Prix De Diane statt. Ein Rennen, dass Sie 2001 und 2002 gewonnen haben. Welche Erinnerungen haben Sie daran?"
Dominique Boeuf: "Wenn man das Glück hat, so legendäre Rennen zu gewinnen, bleibt das natürlich für immer im Gedächtnis. Aber es waren Siege mit zwei grundverschiedenen Stuten. Aquarelliste hatte zunächst bei Andre Fabre begonnen, bevor sie zu Elie Lellouche wechselte. Elie und ich waren uns einig, dass sie deutlich über dem Feld stand. Und das man unter solchen Umständen kein Risiko eingehen durfte. Sie konnte ihr Rennen selbst einteilen. Ich hatte einen ganz sauberen Rennverlauf. In der Bergabpassage konnte ich mich etwas vorarbeiten, und am Ende hat sie ihre Klasse ausgespielt. Ein Jahr später ritt ich Bright Sky, ebenfalls von Elie Lellouche trainiert, aber sie hatte ein ganz anderes Profil. Sie war etwas komplizierter. Man musste sich zuerst um sie kümmern, bevor man an das Rennen denken konnte. Es war wichtig, sie in eine komfortable Position zu bringen. Und das ist mir gelungen. Wir hatten ein Traumrennen. Es war viel Tempo drin, und wir konnten sehr lange mitgezogen werden. Dann konnte sie ihren unglaublichen Schlussspurt zeigen."
PT: "Aquarelliste war noch ungeschlagen, als sie im Prix De L’Arc De Triomphe antrat. Leider mussten Sie sich mit dem zweiten Platz zufriedengeben. War das eine Enttäuschung?"
DB: "Nicht wirklich, denn wir wurden deutlich von einem außergewöhnlichen Pferd geschlagen (Sakhee). Die Stute hat ihr Potenzial voll gezeigt, wir hatten ein gutes Rennen. Es war fast wie ein Sieg, weil wir den Gewinner einfach nicht schlagen konnten. Wir waren stolz auf sie. Sie hat ihr Rennen gemacht."
PT: "Seit dem Ende Ihrer Jockeykarriere sind Sie regelmäßig bei Equidia zu sehen, vor allem bei großen Rennen. Manchmal sogar hoch zu Ross, ganz nah bei Ihren früheren Kollegen. Früher haben Sie direkt vor dem Start mit ihnen gesprochen, kurz bevor die Pferde in die Boxen gingen. Das machen Sie heute nicht mehr..."
DB (unterbricht): "Man hat es mir verboten. Und das bedaure ich sehr. Ich weiß nicht, wer diese Entscheidung getroffen hat, aber es ist schade, denn die Jockeys haben meistens mitgemacht. Vor dem Rennen bin ich in die Umkleide gegangen, um sie zu informieren, dass ich hinter den Startboxen sein würde. Es ging nie darum, jemanden zum Reden zu zwingen, wenn er es nicht wollte. Trotzdem wurde wohl entschieden, dass ich die Konzentration der Reiter störe."
PT: "Sie hatten dabei doch einen ganz anderen Ansatz. Gar nicht auf Wetten ausgerichtet, sondern vor allem auf den Sport."
DB: "Ganz genau. Ich wollte Emotionen vermitteln, indem ich über das Pferd sprach. Das ist etwas, dass im Ausland durchaus gemacht wird. Aber bei uns ließ es sich leider nicht umsetzen. Dabei gab es richtig schöne Momente, etwa mit Christophe Soumillon, der im Grand Prix De Paris plötzlich auf dem Derbysieger von Epsom saß, weil die britischen Jockeys wegen der Reisebeschränkungen nicht nach Frankreich kommen konnten. Oder mit Frankie Dettori in den Vorbereitungsrennen, als er versuchte, zum dritten Mal mit Enable den Arc zu gewinnen. Und dann, nur drei Wochen später, durfte ich plötzlich nicht mehr mit ihm sprechen, obwohl er selbst das Gespräch suchte. Er wollte sich austauschen, was in solchen Momenten mit Kollegen nicht immer möglich ist. Wirklich schade! Ich bin weiterhin überzeugt, dass das eine großartige Idee war. Und gerade heute, mit dem Aufstieg der sozialen Netzwerke, würde diese Art von Vor-den-Rennen-Interaktion mit ihren pointierten Sprüchen sehr gut ankommen."
PT: "Mit Ihrem scharfen Blick und Ihrem Analysevermögen hätte man gedacht, dass Sie Trainer werden würden. Hat Sie das nie gereizt?"
DB: "Eigentlich hatte ich gar nicht die Zeit, Trainer zu werden. Kaum hatte ich meine Karriere beendet, rief mich Jerome Lenfant an und bat mich, Teil des Equidia-Teams zu werden. An dieser Stelle möchte ich ihm meinen Dank aussprechen. Er hat mir alles beigebracht: wie man kommuniziert, wann man sich einmischt, wie man die Frage stellt, die entweder die erwartete oder auch eine überraschende, aber bedeutsame Antwort hervorruft. Mit Jerome habe ich die Freude entdeckt, über Pferde und meinen Beruf zu sprechen. Ich habe gemerkt, wie sehr es mich emotional berührt, meine Leidenschaft vor der Kamera zu teilen. So kam es, dass ich kein Trainer wurde (lacht). Das ist umso erstaunlicher, weil ich schon in jungen Jahren einen eigenen Stall gekauft hatte. Mit genau diesem Ziel."
PT: "Vor wenigen Tagen äußerten Sie bei Equidia Ihr Bedauern darüber, dass die Jockeys in Frankreich kaum Anerkennung bekommen und zu wenig ins Rampenlicht gerückt werden."
DB: "Wir liegen in dieser Hinsicht weit hinter anderen Ländern zurück. Leider ist das kein neues Problem. Ich denke, man hat das Ende der Ära Yves Saint-Martin nicht richtig vorausgeplant. Er war unsere größte Ikone. Als er seine Karriere beendete, hat man das mediale Vakuum, das er hinterlassen würde, völlig unterschätzt. Es ist viel Zeit vergangen, aber vielleicht ist es noch nicht zu spät. Voraussetzung ist allerdings, dass es Menschen gibt, die überhaupt bereit sind zu kommunizieren. Es ist wirklich schade, dass der beste Trainer der Welt (Anm. d. Red.: Andre Fabre) den Kontakt zur französischen Presse abgebrochen hat. Damit schadet man sich selbst."
PT: "Das ist seit über 40 Jahren so. Alle scheinen sich damit abgefunden zu haben."
DB: "Was für ein Verlust! Er hätte so viele spannende Geschichten zu erzählen. Für alle, die diesen Sport lieben, wäre es ein Traum, ein wenig Zeit mit ihm zu verbringen. Man müsste ihm nicht einmal Fragen stellen. Einfach hinsetzen, zuhören. Und dann steht man auf, sagt "Danke" und "Auf Wiedersehen, Monsieur" (lacht)."
PT: "Zurück zu den Jockeys, insbesondere zu den Nachwuchsreitern. Thierry Jarnet, Ausbilder bei der AFASEC, bemängelte kürzlich die mangelnde Ausbildung junger Lehrlinge. Ist das ein Grund dafür, warum neue Talente, besonders bei den Jungen, schwerer hervortreten?"
DB: "Ich denke, der Hauptunterschied ist, dass die Jugendlichen heute später reif sind als wir es damals waren. Das liegt vor allem daran, dass sie heute in einem dualen Ausbildungssystem lernen, während wir unsere gesamte Zeit im Rennstall verbracht haben."
PT: "Das heißt: Es ist nur logisch, dass sie doppelt so lange brauchen, um die Grundlagen zu beherrschen, weil sie nur halb so viel Zeit im Sattel verbringen."
DB: "Ganz genau. Die Ausbildung dauert heute einfach länger. Früher, wenn man jeden Tag im Stall war, konnte man nach zwei, zweieinhalb Jahren einen brauchbaren Lehrling hervorbringen. Heute reiten die jungen Leute in den ersten beiden Jahren viel weniger. Es überrascht also nicht, wenn sie erst mit 18 oder 19 konkurrenzfähig sind, statt wie früher mit 16 oder 17. Und dann ist da noch die Frage der Reife. Das ist ein generelles Phänomen in unserer Gesellschaft: Jungen sind in der Entwicklung später dran als Mädchen. Auch deshalb schaffen es die Mädchen oft früher, sich durchzusetzen."
Dominique Boeuf in Kürze:
Geboren am 6. Juni 1968 in Maisons-Laffitte
2.462 Siege in Frankreich
Jockey-Champion (Cravache d’Or) 1991, 1998, 2001 und 2002
31 Gruppe I-Siege, davon 28 in Frankreich
128 Siege in Quine-Rennen
Frederic Hinderze, ein wiedergefundener Freund
Neben seiner Tätigkeit als Equidia-Berater unterstützt Dominique Boeuf seinen Freund Frederic Hinderze beim Aufbau eines eigenen Stalls sowie eines Zentrums für Regeneration und Reha von Sportpferden in Maisons-Laffitte. Die Freundschaft besteht schon lange:
"Wir haben uns als Kinder kennengelernt, dann etwas aus den Augen verloren. Nach dem Ende meiner Karriere wollte ich mehr Zeit mit meiner Tochter Clemence verbringen, die Springreiterin ist. Also habe ich auch wieder angefangen. So traf ich Frederic bei einem Turnier wieder, er ist ebenfalls Reiter. Sein Projekt zur Förderung des Wohlbefindens und der Regeneration von Sportpferden ist einfach großartig. Es soll Anfang nächsten Jahres eröffnet werden. Was den Rennstall betrifft: Ich bin Teil eines kleinen Teams mit Nicolas De Balanda und Frederics Sohn Oscar. Ich liebe den Hindernissport und Auteuil. Mein Vater war Hindernistrainer, und ich habe bei Pierre Biancone angefangen, der fast ausschließlich Hindernispferde hatte. Was mir daran gefällt: Ganz egal, wer gewinnt. Im Hindernissport begegnen sich alle Profis mit Respekt und Aufmerksamkeit. Auch wenn Gran Diose geschlagen wurde, habe ich mich gefreut, dass Francois Nicolle nach so vielen Jahren endlich das Grand Steeple gewonnen hat."