News Frankreich Trab, 28.09.2025
(hen) Richard-William Denecherre hat viele Epochen durchschritten, seit er 1957 seine ersten Rennen bestritt. Nachdem er mit Fan Idole die größten Erfolge gefeiert hatte, erlebt er nun ein neues Hoch. Diesmal mit L'Ecrin d'Or, der an diesem Sonntag im Prix des Elites in Vincennes an den Start geht.
Seit nun fast 70 Jahren, genau genommen 68 Jahre, sitzt Richard-William Denecherre schon im Sulky. Seine Fahrerkarriere begann er im Alter von 13 Jahren. Den ersten Sieg errang er wenige Monate später, als er mit 14 Jahren am 01. Mai 1958 in Chatelaillon mit einem Pferd gewann, dass von seinem Vater Guy trainiert wurde. "Damals genügte es, eine Genehmigung zu beantragen, und so konnte ich so jung anfangen. Genau wie mein Freund Jean-Pierre Dubois."
Frühreif und ausdauernd - zwei Eigenschaften, die sowohl den Menschen Richard-William Denecherre beschreiben, als auch die eines guten Pferdes. So auch bei L’Ecrin d’Or. Vor dem nächsten klassischen Auftritt des 4jährigen, der im Juni den Prix Du President de la Republique (GR I) gewann, sprach Denecherre mit dem ParisTurf.
ParisTurf: "Trotz Ihres Alters von 81 Jahren sind Sie immer noch im Rennzirkus. Was treibt Richard-William Denecherre weiterhin an?"
Richard-William Denecherre: "Ich mag es nicht, mich zu langweilen! Wenn ich arbeite, wird mir nie langweilig. Schließlich habe ich das mein ganzes Leben lang gemacht und kann mir nicht vorstellen, einfach aufzuhören. An Ruhestand denke ich nicht. Ich höre nur dann auf, wenn ich dazu gezwungen bin oder merke, dass ich nicht mehr mithalten kann. Ich habe immer noch die gleiche Freude daran, morgens aufzustehen und mich um die paar Pferde zu kümmern, die mir geblieben sind. Das ist mein Leben. Natürlich habe ich nicht mehr die Qualität an Pferden wie zu meinen besten Zeiten, aber es bleibt ein faszinierender Beruf, den ich über alles liebe. Ja, meine Pferde sind vielleicht keine Champions, aber ich beschäftige mich lieber mit ihnen, als nichts zu tun. Ich arbeite jeden Tag. Und das hält mich fit."
PT: "Apropos Champion. Mit L'Ecrin d’Or, der am Sonntag in Vincennes im Prix des Elites startet, erleben Sie eine besondere Anerkennung."
RWD: "Es ist ein wahres Glück, so ein Pferd zu haben. Vor rund dreißig Jahren hatte ich Fan Idole, und jetzt diesen hier. Zwei Champions, die ich selbst gezüchtet habe. Natürlich ist es noch viel zu früh, um die Zukunft von L’Ecrin d’Or vorherzusagen. In seinem Alter konnte Fan Idole nicht das, was er heute leistet. Und vielleicht wird er später nicht das schaffen, was sie vollbracht hat. Die Zeit wird es zeigen. Aber allein so weit gekommen zu sein, mit ihm an Gruppe I-Rennen teilzunehmen - das ist schon großartig. Es ist die fünfte Generation, die ich gezüchtet habe, und zugleich eine schöne Geschichte mit meinem Freund Francis Picoulet. Seit über 40 Jahren haben wir gemeinsam Pferde. Und während wir heute mit L’Ecrin d’Or große Freude erleben, haben wir im Galopprennsport schon Ähnliches durch den Champion Kapgarde zusammen mit Guillaume Macaire erfahren."
PT: "Sie haben immer voller Lob über L’Ecrin d’Or gesprochen. Hat er Ihre Erwartungen sogar übertroffen?"
RWD: "Ohne zu denken, dass er einmal dieses Niveau erreichen würde - er hat immerhin schon ein Gruppe I-Rennen gewonnen, den "President", habe ich ihn immer für sehr gut gehalten. Ich habe ihn geschont und auf seine Entwicklung gewartet. Zuhause hatte ich ihn nie unter dem Sattel ausprobiert, war aber überzeugt, dass er sich in dieser Disziplin behaupten könnte. Er hatte die Bewegungen und die Physis, um einen Reiter zu tragen. Für mich war er der geborene Monte-Spezialist, auch wenn er ebenso Qualitäten im Sulky hat.
Er hat keine Schwächen. Er geht jede Distanz. Er besitzt Geschwindigkeit, aber auch Steherqualitäten. Schließlich hat er in Vincennes über 2.100 Meter Autostart im Sulky gewonnen, genauso wie über 2.850 Meter unter dem Sattel. Das zeigt, dass er alles kann. Er ist zudem sehr geschickt: Wenn er einmal einen Fehler macht, was selten vorkommt, schafft er es, wieder in den Trab zu finden. Es hat keine Schwächen. Er kann schnell beginnen, ohne dass es ihn am Ende aufhält. Um ihn zu beschreiben: Er ist ein komplettes Pferd. Ein echtes Spitzenpferd."
PT: "Seit dem letzten Wintermeeting wird L’Ecrin d’Or von Laurent-Claude Abrivard trainiert. War das eine naheliegende Wahl?"
RWD: "Ja, absolut. Mit Laurent-Claude Abrivard verbindet mich eine Freundschaft, die bis in die Zeit von der Marquise de Moratalla zurückreicht. Eine außergewöhnliche Pferdefrau. Durch mich hatte er damals den Rennstall von Melun übernommen. Ohne mich, und das sage ich ohne Angeberei, wäre Laurent vielleicht nie Trainer geworden (lacht). Und das wäre wirklich schade gewesen, wenn man sieht, welche Karriere er gemacht hat und immer noch macht. Sobald ich ein gutes Monte-Pferd hatte, habe ich stets beschlossen, es ihm anzuvertrauen. Vor ein paar Jahren, kurz nach Covid, habe ich ihm zum Beispiel Harpie Du Perche übergeben. Sie gewann mehrere Rennen unter dem Sattel, darunter eines in Enghien, wo sie Halfa schlug. Auch bei ihr war ich überzeugt, dass es bei Laurent-Claude funktionieren würde. Sie war eine Tochter von Jag De Bellouet, die mit dem Alter stärker werden sollte. Leider verletzte sie sich, aber das gehört nun mal zum Rennsport.
Ein weiterer Vorteil bei der Zusammenarbeit mit Laurent-Claude Abrivard ist sein Sohn Alexandre, der zu den besten Monte-Reitern überhaupt zählt. Sie gehören für mich fast zur Familie, und sobald ich sicher war, dass L’Ecrin d’Or eine Zukunft unter dem Sattel hat, war es eine logische Entscheidung. Und unsere Zusammenarbeit geht weiter: In ein paar Wochen wird er auch die Schwester von L'Ecrin d'Or, Ma Piece d’Or, ins Training bekommen. Ich denke, auch sie kann im Monte-Bereich erfolgreich sein. Natürlich ist sie nicht wie ihr Bruder, aber sie ist eine gute Stute."
PT: "Nur wenige Stunden vor dem Prix des Elites...in welcher Stimmung sind Sie?"
RWD: "Um ehrlich zu sein, ich habe Laurent-Claude Abrivard vor etwa zwei Wochen angerufen, um nach dem Pferd zu sehen, nachdem er im Prix Camille de Wazieres Zweiter geworden war. Seitdem lasse ich ihn machen. Ich störe ihn nicht. Ich habe ihm immer gesagt, er soll so handeln, als wäre das Pferd seines. Ich muss ihm keine Ratschläge geben. Er kennt seine Arbeit genauso gut wie ich. Wissen Sie, als ich ihm das Pferd anvertraut habe, sagte ich ihm, dass zwei Wochen später ein gutes Monte anstehe. Doch das Pferd konnte nicht starten. Ich habe ihn nicht weiter behelligt. Ich dachte mir, wenn das Pferd nicht läuft, dann hat es wohl nicht sollen sein. Drei Wochen später lief L’Ecrin d’Or im Sulky und gewann. Er ist erst Anfang April das erste Mal unter dem Sattel gestartet. Der Trainer hat seine Arbeit gut gemacht. Sehr gut sogar. Besser hätte ich es selbst nicht machen können.
Nun zu Sonntag: Wir hoffen auf eine gute Leistung. Für mich ist es allerdings schwieriger, in der Tribünen zu sitzen, als im Sulky. Im Sulky habe ich keinen Stress. Auf den Tribünen ist es viel schwieriger. Aber es liegt nicht daran, dass es ein Gruppe-Rennen ist. Das Gefühl ist bei allen meinen Pferden so, egal ob bei Amateure oder Auszubildenden. Ich bin besorgt, wie das Rennen verlaufen wird. Von oben kann man nichts steuern, man ist nur Zuschauer."
PT: "Sie haben viele Epochen durchlebt. Was war die wichtigste Veränderung im Rennsport?"
RWD: "In den letzten zwanzig Jahren hat sich vieles völlig verändert. Alles ist anders: Trainingsmethoden, Ausrüstung, Rennbahnen, Taktik, Sulkys, aber vor allem die Pferderasse. Für mich liegt die Hauptentwicklung in der Mischung von amerikanischem und französischem Blut, die die Pferde komplett verändert hat. Auch die Versorgung ist besser geworden. Früher rief man nie den Tierarzt, heute kommt er schon bei kleinsten Problemen. Das steigert die Leistung der Pferde enorm, besonders bei großen Prüfungen. Man braucht ein Pferd, das zu 100% fit ist, oder mehr, um bei den großen Rennen bestehen zu können.
Ich habe immer gesagt: Um ein guter Fahrer zu sein, braucht man ein gutes Pferd. Heute gilt das noch mehr, denn die Rennen sind zunehmend taktisch, und es heißt oft, sie seien Rennen der Fahrer. Ich war allerdings Vorreiter in dem, was die Trainer heute mit ihren Außenstellen machen. Vor rund vierzig Jahren hatte ich meinen Betrieb in der Gironde, aber auch Außenstellen in Cagnes und Vincennes. Das war meine Lebensweise Anfang der 80er Jahre und entspricht der vieler Trainer und Fahrer heute. Wer erfolgreich sein will, muss arbeiten, ein harter Arbeiter sein. Daran hat sich nichts geändert."
PT: "Rückblickend auf Ihre Karriere: Gibt es einen besonders prägenden Sieg oder einen unerfüllten Wunsch?"
RWD: "Ich habe keine wirklichen Reuegefühle. Meine Karriere war erfüllend. Das Einzige, was mir fehlt, ist der Sieg im Prix d’Amerique. Mit Fan Idole wurden wir von einem besseren Pferd geschlagen. Mit Grandpre als Zweiter, wäre es wohl anders ausgegangen, wäre er nicht auf halber Zielgeraden lahm geworden. Da hätte ich sicher gewonnen. Mit Fakir Du Vivier hatte ich keinen Platz beim Start, war zunächst Letzter und kam dann noch auf Rang Drei. Mit etwas mehr Glück hätte ich ihn zweimal gewinnen können. So ist es eben.
Ich habe über 4.500 Rennen gewonnen, aber mein Sieg in Montreal mit Fan Idole, als wir Varenne besiegten, ist ohne Zweifel der schönste. Ich bekomme noch immer Gänsehaut und feuchte Augen, wenn ich daran denke. Ja, es sind viele Emotionen, aber es bleibt ein wunderbarer Moment. Wissen Sie, ich habe auch Tragödien erlebt. Den Verlust meiner Eltern bei einem Autounfall oder den Brand meines Stalls mit zwanzig toten Pferden, aber es ist genauso wichtig, sich an die schönen Dinge zu erinnern."
PT: "Wie sehen Sie die Zukunft des Pferderennsports?"
RWD: "Ich bin besorgt, sehr besorgt sogar. Die Rennen werden in Frankreich nicht aufhören, aber seit zwei bis drei Jahren stelle ich mir viele Fragen. Ich frage mich, wie wir das Tempo über die Jahre gehalten haben, ohne dass die Preisgelder gesunken sind. Dafür gebührt dem Führungsteam Anerkennung. Ich war über 40 Jahre bei "Cheval Francais" (Vorgänger der SETF) tätig, auch in verschiedenen Funktionen, und ich kenne die Schwierigkeiten dieser Arbeit. Aber ich weiß nicht, wie lange wir dieses Tempo noch durchhalten können. Die Umsätze gehen zurück, der Nachwuchs fehlt, junge Leute interessieren sich nicht für den Rennsport und ziehen andere Sportarten vor. Ohne Turfisten gibt es keine Rennen. Die Lage ist kritisch. Ich sehe nicht, wie man anderswo Geld auftreiben könnte. Ich hoffe es für die jungen Leute, die einsteigen wollen, aber ich bin pessimistisch. Die Branche wird weiter unter Druck stehen. Bis zu dem Tag, an dem sie bricht."