News Frankreich Trab, 27.07.2025
(hen) Zum Ende des letzten Jahres gab es im französischen Trabrennsport einen große Veränderung. Trainer Jean Michel Bazire übergab seinen Stall, zumindest auf dem Papier, seinem Sohn Nicolas (© P. Lefaucheux/PC). Ein deutliches Zeichen für den Wandel, der sich in den letzten neun Monaten vollzogen hat. Mit dieser Übergabe, die von seinem Vater Jean-Michel Bazire, dem zwanzigfachen Gewinner des Sulky d'Or, gewollt und strategisch umgesetzt wurde, haben sich die Verantwortlichkeiten des Sohnes deutlich vergrößert. In diesen neun Monaten konnte Nicolas Bazire bereits drei Siege in Gruppe I-Rennen feiern. Zweimal triumphierte Joumba De Guez und einmal Mille Etoiles.
Im großen Interview mit 24H Au Trot spricht der jüngste Sieger in der Geschichte des Prix D´Amerique über seine persönliche Entwicklung in dieser Zeit, das Verhältnis zu seinem Vater und seine Sicht auf den Beruf des Trabrennfahrers.
24h Au Trot: "Seit neun Monaten stehen die Pferde des Bazire-Teams unter Ihrer Regie. Wie lief der Übergang?"
Nicolas Bazire: "Das ist für mich die logische Weiterentwicklung im Leben des Stalls. Wir arbeiten grundsätzlich weiter wie bisher, passen uns aber natürlich über die Jahre an. Die Organisation sieht momentan so aus: Jean-Michel hat 14 Pferde in seiner Obhut, Romain (Congard) etwa ein Dutzend und ich selbst zwanzig. So arbeiten wir im Alltag Hand in Hand und unterstützen uns gegenseitig. Das versteht sich von selbst. Unser Ziel ist es, uns Schritt für Schritt weiterzuentwickeln."
24H: "Was heißt das genau?"
NB: "Ich weiß, dass ich morgen nicht einfach so einen Stall mit 120 oder 140 Pferden übernehmen könnte. Trainer zu sein, heißt nicht nur Pferde zu trainieren. Klar, ich kann Pferde trainieren, wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich das immer gut mache. Aber Trainer sein bedeutet, an alles zu denken. So funktioniert ein Stall eben. Man muss zum Beispiel auch einplanen, dass wir jedes Jahr zwischen 70 und 80 junge Pferde testen. Mit den Jahren entwickelt man dafür gewisse Automatismen. Die kann ich in meinem Alter und mit meiner Erfahrung noch nicht alle haben. Und das ist völlig normal."
24H: "In dieser Zeit haben sich Ihre Verantwortlichkeiten erweitert. Wie war das vorher und was hat sich verändert?"
NB: "In den zwei, drei Jahren davor hatte ich bereits etwas mehr Verantwortung übernommen. Aber davor war ich, in Anführungszeichen, ein ganz normaler Mitarbeiter, auch wenn ich die Pferde gefahren bin. Ich habe gemacht, was man mir gesagt hat. Heute bin ich für die Pferde und auch die Trainingsmethoden verantwortlich. Das ist nicht unbedingt stressig, aber definitiv mit mehr Druck verbunden. Und vor allem mit viel mehr Verantwortung: gegenüber mir selbst und meinen Fähigkeiten als Trainer, aber auch gegenüber den Besitzern, dem gesamten Stall und nicht zuletzt den Wettern. Wenn es dann gut läuft, ist die Freude umso größer. Und wenn es nicht klappt, ist die Enttäuschung entsprechend stärker."
24H: "Die Umstrukturierung des Stalls hat also nicht erst mit dem letzten Wintermeeting begonnen, als offiziell die meisten Pferde unter Ihrem Namen liefen?"
NB: "Nein, das war ein schrittweiser, natürlicher Prozess. Angefangen hat es eigentlich schon, als ich zwei Winter lang im Trainingszentrum von Grosbois war. Damals hatte ich die Verantwortung für einen kleinen Bereich mit zwei Mitarbeitern. Ich musste mich um diese Pferdegruppe selbst kümmern. Das hat mir geholfen, meinen eigenen Stil zu entwickeln, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man ein Pferd optimal für ein bestimmtes Rennen vorbereitet. Die Übergabe erfolgt also Stück für Stück. Mein Vater hat über viele Jahre enorm hart gearbeitet. Er hat es sich mehr als verdient, nun etwas kürzerzutreten, was er in letzter Zeit auch zunehmend tut. Aber er ist weiterhin präsent und steht uns zur Seite. Ich glaube übrigens nicht, dass er je ganz aufhören wird. Um 5:30 Uhr steht er immer noch selbst im Stall und kümmert sich um seine Pferde. Ihn an meiner Seite zu haben, ist natürlich ein riesiger Vorteil."
24H: "Trotzdem spüren Sie jetzt mehr Druck, oder?"
NB: "Ja, auf jeden Fall. Auch wenn er sich noch um die besten Pferde kümmert, was absolut verständlich ist, habe ich selbst auch einen qualitativ sehr guten Pferdebestand. Dafür muss man passende Rennprogramme aufstellen, die besten Startmöglichkeiten finden und die Pferde entsprechend vorbereiten. Da merkt man erst so richtig, wie viele Faktoren dabei eine Rolle spielen."
24H: "Die Zusammenarbeit mit der eigenen Familie ist nicht immer einfach. Erst recht nicht, wenn man in die Fußstapfen eines so erfolgreichen Vaters tritt. Wie sehen Sie das heute?"
NB: "Am Anfang war das nicht leicht. Mit dem eigenen Vater zu arbeiten, ist sowieso nicht einfach. Es kam vor, dass ich gewisse Dinge, die er mir sagte, falsch aufgenommen habe. Und er war nicht immer besonders freundlich dabei (lacht). Aber ich kann es ihm nicht verübeln. Mein Verhalten war oft nicht besonders reif, ich hatte einfach noch zu wenig Erfahrung. Ich war manchmal etwas verträumt unterwegs. Mit der Zeit habe ich dazugelernt und bin ruhiger geworden. Und auch er hat sich verändert (lacht). Er hat mittlerweile verstanden, dass ich nicht genauso bin wie er. Ich kann nicht alles machen wie er. Anfangs fiel ihm das schwer. Er hätte sich wohl gewünscht, dass ich ein "Jean-Michel Nummer Zwei" werde. Aber das ist weder durch Talent noch durch Arbeit möglich. Mein Vater denkt ununterbrochen an seine Pferde - sogar im Schlaf. Ich dagegen brauche auch mal eine Pause zum Abschalten."
24H: "Können Sie diesen Aspekt näher erläutern?"
NB: "Das ist ein Beruf, in dem man sehr viele Stunden arbeitet. Körperlich ist das anstrengend. Aber das, was wirklich erschöpfend ist, ist die mentale Belastung. Es ist nicht unbedingt "schwer", aber man muss Pferde und den Beruf wirklich lieben. Man merkt heute immer mehr, wie wichtig mentale Gesundheit ist. Gerade auch im Sport. Man kann nicht in den Kopf eines anderen hineinschauen. Aber es gibt Phasen, in denen einfach alles schiefläuft: die Rennen, die Arbeit, das Privatleben… Und genau in solchen Momenten muss man die Kraft finden, wieder aufzustehen, weiterzumachen, sich auf Positives zu konzentrieren. In dieser Hinsicht haben mir die letzten neun Monate sehr geholfen."
24H: "Wenn man das so hört, sind Auszeiten also unverzichtbar?"
NB: "Für mich auf jeden Fall. Es tut gut, mal acht Tage abzuschalten. Man muss gar nicht weit wegfahren, aber das Handy ausschalten und einfach runterkommen. Das ist mir sehr wichtig. Man kann sich natürlich vornehmen, 40 Jahre Vollgas zu geben und danach das Leben zu genießen. Aber ich sehe das anders. Ab und zu braucht man einfach eine Pause. Nicht unbedingt, um sich körperlich zu erholen, sondern um den Kopf freizubekommen. Die mentale Belastung ist wirklich das Schwierigste in diesem Job."
24H: "Am Ende geht es also doch wieder um den Druck, der mit der Leistung und dem Erfolg eines Top-Stalls wie Ihrem verbunden ist?"
NB: "Ja, der Druck ist einfach da. Schon allein, weil man niemanden enttäuschen will. Man selbst will ja auch, dass alles gut läuft. Andererseits: Wenn man diesen Beruf ohne Druck ausübt, dann ist es einem wohl ein bisschen egal. Und umso schöner sind dann die Momente, wenn es so läuft, wie man es sich erhofft."
24H: "Hat sich Nicolas Bazire im Jahr 2025 verändert?"
NB: "Es ist kein "neuer" Nicolas Bazire. Aber ich bin ein bisschen reifer geworden."